Wir mieten ein Apartment
Aufbuddeln,
zubuddeln
Die
Nattischlampe ist defekt
Armbruch
auf Teneriffa
Es war ein großes
Wohnzimmer mit Küchenzeile, zwei Schlafzimmern und Bad. Da es längere Zeit
leer gestanden hat, waren alle ebenen Flächen staubig. Das ist normal. Der
erste Stuhl, auf den ich mich setzte, brach zusammen. Es stellte sich heraus, daß
die Vormieter ihn nur provisorisch repariert hatten. Auf dem Fußboden war
Kaugummi, an den Wohnzimmerfenstern Handabdrücke. Das Wohnzimmer hatte zwei große
Schiebetüren zum Balkon, aber nur eine ließ sich verriegeln. Schnell fanden
wir eine Lösung. Da sich die äußere Tür verriegeln ließ, stellten wir den
Couchtisch gegen diese und suchen auf der Baustelle drei Holzreste und einen
Fliesenrest. Die Konstruktion verhinderte, daß sich die innere Tür auch nur 1
mm bewegen ließ. Beim Calima klapperte die innere Tür. Mit Verpackungsmaterial
sorgte ich für Ruhe. Die Gardinenstange im Wohnzimmer war schief. Die Eßbestecke
klebten fast an den Fingern fest. Die Teller klebten auch. Auf den Tassen stand:
Cafetería Marazul El Médano. Wir stellten fest, daß heißes Wasser und Spülmittel
nichts ausrichten konnten. So weichten wir sie über Nacht in Spülmittel ein.
Der Dreck war am anderen Morgen noch so fest, daß wir außer mit der Bürste
noch mit den Fingernägeln nachhelfen mußten. Töpfe und Pfannen waren nur
leicht verschmutzt. Schlimm sah der Herd aus. Er war wohl noch nie gereinigt
worden. Die große Schnellkochplatte war defekt. Aus der anderen großen Platte
hing ein Draht heraus. An den Fliesen hinter dem Herd war der Dreck bis ca. 5 cm
Höhe 1 mm dick! Die Dunstabzugshaube war noch nie gereinigt worden. Wenn ich
mit den Haaren dagegen kam, klebten sie fest.
Die Spüle war dick verkalkt. Im Schrank standen zwei große ovale Teller zum
Panieren. Auf einem war Mehl, auf dem anderen Paniermehl, alles festgetrocknet
und mit Blut verklebt. Auf einem weiteren Teller lag ein vertrockneter Donut.
Wir ließen alles, so wie es war. Wir reinigten nur das, was wir brauchten, und
achteten darauf, daß diese Gegenstände separat verwahrt wurden.
Die Töpfe waren für einen Gasherd. Entsprechend lange dauerte es, bis das
Essen kochte. Es waren keine tiefen Teller da, und die Schöpfkelle fehlte auch.
Die Kühlgefrierkombination funktionierte.
Der Spiegel im Bad war fast blind von Schmutz. Die Deckenlampe fehlte, dafür
hing eine Fassung an dem Stromkabel. Beide Besen waren schmutzig und voller
Flusen, ein Besen ohne Stiel. Auf der Kehrschaufel war der Dreck festgeklebt.
Der Besen mit Stiel war gewölbt und völlig ungeeignet zur Reinigung der Ecken.
Entsprechend sahen diese auch aus. Zur Waschmaschine fehlte die
Bedienungsanleitung. In den Fächern waren noch Waschpulver und Weichspüler.
Entweder hatten die Vorgänger es nicht geschafft, die Maschine in Gang zu
setzen, oder sie war defekt.
Auf dem Fußboden in einem Schlafzimmer lagen Glassplitter von einem Trinkglas.
Hier waren zwei Gardinenstangen und zwei parallele Gardinen. Irgend jemand hatte
die vordere Gardine teils an der vorderen, teils an der hinteren Stange aufgehängt.
Gleiches geschah mit der hinteren Gardine. So war es nicht möglich, beide
Gardinen so zu verteilen, daß das Fenster gleichmäßig abgedunkelt war. Es
gelang uns lediglich zu verhindern, daß uns die Straßenbeleuchtung ins Gesicht
schien. Die Fensterverriegelung in beiden Schlafzimmern war defekt. Da es hier
die äußeren Schiebefenster waren, mußten wir damit leben. Zum Glück war von
einem Schlafzimmer ein Schlüssel da. Wir schlossen es ab und ließen den Schlüssel
stecken. Am Tage würde keiner einsteigen und nachts waren wir da.
Der Fernseher gab kein Bild. Ein Blick hinter die Kulisse ergab, daß keine
Antenne angeschlossen war. Es kam zwar ein Antennenkabel aus der Wand, die
vorhandene Steckdose war unbenutzt. An dem Kabel war kein Stecker. Man konnte
nur den blanken Draht in die Antennenbuchse des Fernsehers stecken. Auf dem
Balkon hingen zwei Antennenkabel herum, die vom Dach kamen. Eines führte zum
Nachbarn. Die Antenne zu dem anderen Kabel lag unmontiert auf dem Flachdach.
Als wir das Apartment übernahmen, war der Kühlschrank auf 3, der Fernseher auf
standby und der Warmwasserboiler eingeschaltet, obwohl es mehrere Monate nicht
vermietet gewesen war. Strom schien es hier zum Nulltarif zu geben.
Das Apartment hat uns 500,-- € /Monat gekostet, zusätzlich 30,-- €
Vermittlungsgebühr. Das sind 220,-- € weniger als das nächste Angebot.
Fazit: Ich habe noch nie so viel Geld mit so wenig Arbeit verdient.
Mit uns im Haus wohnten 5 Chaoten! Sie knallten mit den Türen, drehten die
Musikanlage auf volle Lautstärke bei offenen Türen. Als der Nachbar sah, daß
ich unsere Tür öffnete, ahnte er schon, was ich wollte. Er knallte seine Tür
zu und machte die Musik ein wenig leiser. Sie war aber immer noch so laut, daß
wir die Balkontür schließen mußten, weil er seine Balkontür offen hatte. Die
Musik lief bis 4.00 Uhr nachts, um 7.00 Uhr ging er zur Arbeit.
Hier leben die Leute noch
im Zeitalter „Aufbuddeln, Zubuddeln“. Unser Apartment liegt in einem
Neubauviertel. Rund um uns wird gebaut. Die Straße wird ständig aufgerissen,
es werden Rohre verlegt und zugeschüttet. Einen Tag kommen Lkws und bringen
Erde, am nächsten Tag holen sie sie wieder ab. Durch den Ortsteil lief ein
Barranco. Um Platz für die Straße zu gewinnen, hat man für das Wasser einen
Tunnel gebaut und den Rest zugeschüttet. Nach zwei Wochen liegen rechts und
links neben der Straße Rohre unter der Erde. Jetzt stellt man fest, daß ein
Schacht für 2 riesige Absperrventile vergessen wurde. Also wird wieder
aufgerissen. Dabei werden die verlegten Rohre zerstört. Überall liegen jetzt
Stücke von Plastikrohren herum.
Nun werden rechts und links des Tunnels Rohre verlegt. Plötzlich geht am größten
Bagger ein Gelenkbolzen kaputt. Es dauert 10 Tage, bis Ersatz da ist. Solange
liegen die zerlegten Teile vor dem Bagger im Dreck. Den ersten Reparaturversuch
erleben wir mit. Das Gelenkteil wird in Position gebracht und der Bolzen
eingeschoben, so weit es geht. Dann hat einer die Idee, er geht zum
Werkstattwagen und holt einen Vorschlaghammer. Als sich nach 10 gewaltigen Schlägen
nichts tut, herrscht Ratlosigkeit. Jetzt darf ein anderer seine Idee
ausprobieren. Er läßt einen Radlader kommen, und mit einem Brett, das er auf
die Schaufel stellt, versucht er, das Gelenkteil in die richtige Stellung zu
bringen, indem er dem Fahrer Zeichen gibt und selbst durch das Loch, durch
welches der Gelenkbolzen muß, peilt. Und siehe da, nach einer Weile läßt sich
der Bolzen mit 3 leichten Schlägen in die Öffnung treiben.
Als ich nach einer Weile wieder hinsehe, hat man alles wieder auseinandergebaut.
Aber am nächsten Tag, als wir von unserem Ausflug zurückkommen, arbeitet der
Bagger wieder. Jeden Abend wird die Baustelle glatt geschoben, und die Gräben
werden abgesperrt, so daß die Anwohner ihre Pkws parken können. Dreimal haben
wir kurzzeitig kein Wasser, dann wurde bei den Baggerarbeiten die Leitung beschädigt.
Als alle Rohre verlegt sind, wird alles glatt geschoben, und wir haben 2 Tage
Ruhe. Dann beginnen sie, Schächte auszuheben, von denen aus die Kabel in die
Rohre eingezogen werden. Die Anschlußstellen hatten sie nämlich auch
zugeschoben. Dabei müssen sie ein Elektrokabel beschädigt haben, denn wir sind
einige Stunden ohne Strom. Lkws bringen Erde, und ein Bagger macht aus dem großen
Haufen viele kleine. Der Fahrer des Radladers sieht zu.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann buddeln sie noch heute.
In Santa Cruz wohnten wir
ganz zentral in einer Pension. Die beste Beleuchtung im Zimmer war die
Nachttischlampe. Wir stellten sie in die Mitte eines kleinen Schreibtisches und
hatten beide gutes Licht zum Schreiben. Wir halten die Tagesereignisse gleich
ausformuliert fest. Stichworte genügen uns nicht. Nach einigen Tagen hörten
wir ein schmorendes Geräusch im Schalter. Da der Schalter nicht verschraubt
war, so daß ich ihn öffnen und auch wieder schließen konnte, wollte ich daran
nicht selbst nach dem Fehler suchen. Ich nahm die Lampe und ging zu den Eigentümern.
„Die Lampe hat einen defekt im Schalter, sie brennt nicht ständig.“ „Das
ist die Birne,“ sagte der Inhaber. „Das ist nicht die Birne, ich verstehe
etwas von der Materie“, entgegnete ich bestimmt. Er gab mir mit der Hand ein
Zeichen, mich zu gedulden, schraubte die Birne heraus, holte eine Birne aus
einer anderen Lampe und schraubte sie ein. Zum Glück brannte die Birne nicht.
Jetzt probierte er es an dem Kabel, das in den Schalter führte. Nach einigem
Wackeln brannte die Birne. Er zog die Lampe aus der Steckdose und gab sie mir
mit der Bemerkung: „Sie brennt.“ „Ja, jetzt brennt sie. Wenn ich oben auf
dem Zimmer bin, brennt sie nicht mehr. Am Montag arbeiten die Handwerker wieder.
Bitte, lassen Sie die Lampe reparieren.“ Jetzt wurde die Inhaberin aktiv. Sie
ging ins Vorratslager, um nach einer anderen Lampe zu suchen. Hier sah ich eine
ganze Lkwladung Toilettenpapier. Bei dieser kleinen Pension reicht das für
Jahre. Außer Reinigungsgerät und Reinigungsmitteln war nicht viel mehr da. Ich
ging nach oben auf das Zimmer. Nach etwa 5 Minuten klingelte es an der Tür. Die
Inhaberin brachte uns eine Lampe. Da nicht alle Zimmer vermietet waren, brachte
sie uns eine aus einem freien Zimmer.
Dieser
Bericht soll dazu beitragen, die Angst vor ausländischen Ärzten und Krankenhäusern
zu nehmen.
2002 hatte sich Helga in der Dominikanischen Republik den linken Oberarm
gebrochen. Nachzulesen unter www.domrep40.de Reiseerlebnisse
„Armbruch in der Wildnis“.
2008 war unser erster Aufenthalt auf Teneriffa. Unser Hausarzt hatte uns gesagt,
die medizinische Versorgung in Spanien sei O.K. Schon am 5.Tag unseres
Aufenthaltes, auf der Wanderung von Cruz del Carmen nach Punta del Hidalgo, ca.
1 km vor Las Carboneras, rutschte Helga etwas. Sie machte eine
Ausgleichsbewegung mit dem Arm und schlug dabei an einen Felsen. „Scheiße“,
sagte ich, als ich ihren Unterarm sah. Sie kapierte gar nicht, was passiert war,
und fand meine Reaktion übertrieben. Vom Gefühl her meinte sie, es würde wohl
einen Bluterguß geben. Erst als sie ihren Arm sah, erkannte sie den Ernst der
Lage. Ich half ihr, sich zu setzen, während sie mit der linken Hand die rechte
festhielt. Sie hatte keine Schmerzen. Eine Wandergruppe kam vorbei. Als die
Leute sahen, was passiert war, verschwanden sie schnell wieder. (Unterlassene
Hilfeleistung!) Ein spanischer Wanderer bot seine Hilfe an. Zuerst wollte er den
Hubschrauber rufen. Ich lehnte ab, weil die Versicherungen einen solchen Einsatz
für solch einen Unfall nicht bezahlen. Die zahlen nur, wenn man selbst am
Transport nicht mitwirken kann! Ich bat ihn, mir zu helfen, einen weiteren Stock
zu finden. Es dauerte nicht lange, und er brachte ihn. Inzwischen hatte ich mit
den Beinen von Helgas Trekkinghose den Arm abgepolstert. Mit einer Elastikbinde
fixierte ich drei Stöcke, und dann ging es ganz vorsichtig abwärts zur Straße.
Wir versuchten, die vorbeifahrenden Autos zu stoppen. Sie hielten bereitwillig
an, hatten aber nicht das gewünschte Ziel. Nach etwa 25 Minuten bekamen wir
eine Mitfahrgelegenheit nach La Laguna. Die Dame kannte sich aus und setzte uns
vor dem Centro de Salud ab. Sie war so schnell verschwunden, daß ich mich nicht
einmal bedanken konnte. Hier erfuhren wir, daß samstags das Röntgengerät
nicht besetzt ist. Man schickte uns ins Universitätskrankenhaus. Die Tranvía
hat dort eine Haltestelle. Die Mitreisenden sagten uns, daß wir zur „Urgencia“
müßten, und paßten auf, daß wir richtig ausstiegen, denn es war unsere erste
Fahrt mit der Tranvía. Wir hatten ca. 400 m zu gehen. In dieser Zeit kamen
mindestens zwei Rettungswagen an. Es herrschte Hochbetrieb. Ständig kamen
weitere Fahrzeuge. Die Mitarbeiterin am Empfang schickte uns zur Verwaltung. Die
deutschen Versichertenkarten können dort nicht gelesen werden, also mußten wir
einen Fragebogen ausfüllen, und der Reisepaß wurde fotokopiert. Danach mußte
Helga in einen Wartesaal zu den anderen Patienten und ich in einen anderen für
Angehörige. Hier saßen mindestens 40 Personen. Ein Fernseher lief. Laufend
kamen Durchsagen. Es war ein ständiges Kommen und Gehen. Ich sah, wie viele
Notfallpatienten hereingefahren wurden.
Nach ca. einer Stunde kam Helga dran. Eine junge Ärztin holte sie, nahm ihr den
Verband ab, steckte das Material zum Mitnehmen in eine Plastiktüte und legte
den Arm in eine Trage. Sie war von meiner Notversorgung begeistert. Ein Helfer führte
Helga zum Röntgen und wieder in den Wartesaal. Nach einer Weile kam eine ganz
junge Chirurgin im grünen Kittel und stellte sich als Doctora Patricia vor. Sie
nahm Helga mit in einen Behandlungsraum.
Nach ca. 11/2 Stunden kam der Aufruf „La familia de Elga“. Den Nachnamen
„Fischer“ können Spanier nicht aussprechen, auch nicht das H. Ich wußte
sofort, daß ich gemeint war, denn die Durchsage war anders als sonst. Man
brachte mich in das Behandlungszimmer. Als Helga mich der Ärztin vorstellte,
meinte sie: “Ach, das ist derjenige, der den Bruch so gut versorgt hat.“
(Also hatte die Kollegin sie informiert.) Sie sagte, ich könne Helga nun während
der gesamten Behandlung begleiten. Nur wenn sie den Bruch richtet, müßte ich
noch einmal den Raum verlassen. Wir hätten übrigens immer beisammen bleiben können,
wenn wir gesagt hätten, Helgas
Spanisch sei nicht so perfekt, ich müßte bei der Verständigung helfen.
Nun erklärte uns Patricia, die die Röntgenaufnahmen schon begutachtet hatte,
daß die Sache etwas kompliziert sei. Aus der Speiche seien vier Stücke
herausgebrochen und hätten sich übereinander geschoben. Sie würde den Bruch
jetzt richten. Sie sagte, daß es noch andere Möglichkeiten gäbe, aber
aus den und den Gründen würde sie diese Art wählen. Wir kamen uns vor,
wie im Lehrsaal für Medizin. Sie erklärte jeden Schritt. Wichtig war mir nur,
daß die Schmerzen für Helga erträglich sein würden. Die Ärztin spritzte in
drei Etappen ein Betäubungsmittel in die Oberseite des Handgelenks und
versicherte, daß Helga keine Schmerzen fühlen würde. Dann befestigte sie an
jedem Finger eine lange Mullbinde, die sie hinter ihrem Rücken verknotete, um
die Hände frei zu haben. Als alle Vorbereitungen getroffen waren, holte sie
noch eine Pflegerin, die mit Hilfe eines zu einem Schal gefalteten Tuches Helgas
Oberarm festhalten mußte. Mich schickte sie hinaus. Helga beschrieb mir
hinterher, was sich abgespielt hatte. Die beiden Frauen zogen mit aller Macht
den Bruch auseinander, dabei bog
die Ärztin das Handgelenk mehrmals nach oben und nach unten. Helga dachte:
„Was macht sie denn da, der Arm ist doch schon kaputt?!“ Nach dem ersten
Durchgang fühlte Patricia den Bruch und meinte: „Der Arm sieht doch schon
wieder ganz gut aus.“ Diese Prozedur wiederholte sie noch zweimal. Dann war
sie zufrieden. Bevor der Zug gelockert wurde, wurde der Unterarm mit einer
Plastikhülle stabilisiert und anschließend noch einmal geröntgt. Ich durfte
wieder zu Helga. Patricia war sehr unsicher, ob es besser sei, den Bruch zu
nageln, oder ob sie es riskieren sollte, ihn nur bis über den Ellbogen zu
gipsen. Sie erklärte uns die Risiken und entschloß sich, doch besser ihren
Chef zu Rate zu ziehen. Der entschied: „ Nageln.“ Patricia erklärte noch, daß
das Nageln ohne Schnitt erfolgen würde.
Es waren ca. 4 Stunden vergangen. Jetzt mußte Helga auf die Operation (Nageln
des Bruches) warten. Da hierfür eine Vollnarkose notwendig war, durfte sie
nichts essen und kam an den Tropf. Alle Vorbereitungen für die OP wurden
getroffen. Sie wurde, in warme Wolldecken gehüllt, auf einer Liege auf dem Gang
praktisch in ständiger Operationsbereitschaft gehalten. Da die dringenden OPs
vorgezogen wurden, war völlig unsicher, wann sie an der Reihe war. Ich wartete
noch bis 18.00 Uhr, mein Hunger war riesengroß, dann fuhr ich zurück nach La
Laguna, um noch etwas einzukaufen, und ging ins Hotel. Etwa um Mitternacht kam
eine Pflegerin und bot Helga Milchkaffee an. Man hätte vom OP angerufen, sie
sollten ihr etwas zu essen geben, sie könne erst am nächsten Morgen operiert
werden. Helga zog je ein Näpfchen Birnen- und Apfelmus dem Kaffee vor.
Bis zum anderen Morgen kam kein Anruf, so fuhr ich wieder in die Uniklinik.
Helga war noch nicht dran gewesen, und man vertröstete uns immer wieder. Schließlich
erlaubte sie sich einen Scherz und fragte einen Pfleger: „Arbeiten die Ärzte
im OP überhaupt?“ Der verstand den Spaß zuerst nicht. Deshalb fügte sie
an:“ Na, ich meine, weil doch heute Sonntag ist.“ Jetzt lachte er und nahm
dies zum Anlaß, im OP anzufragen, wann Helga denn nun endlich an der Reihe sei.
Da ich nichts für sie tun konnte, nutzte ich die Gelegenheit, dem nahegelegenen
Museo Ciencia y el Cosmo einen Besuch abzustatten. Interessant war, die
Darstellung der Geschichte der Raketenentwicklung mal aus einer neutralen
Position zu sehen.
Als ich 12.00 Uhr wieder in die Klinik kam, durfte ich nicht zu Helga, da sie
auf die Operation vorbereitet wurde. Gegen 14.30 wurden mehrere Personen
aufgerufen, auch ich. Um viele Ecken und eine Etage tiefer wurden wir in den
Aufwachraum geschickt. Davor war wieder Warten angesagt. Plötzlich öffnete
sich eine Tür, und alle gingen, sich die Hände zu waschen. Ich verstand den
Zweck nicht, denn ich wollte nicht in den OP. Für mich war keine Seife mehr da.
Das ganze war ein Witz. Endlich durfte ich zu Helga. Sie war gerade beim
Aufwachen. „Mein Schatz, Du bist jetzt operiert“, sagte ich. „Nein, ich
bin nicht operiert, aber es geht gleich los, sie haben die Vorbereitungen
getroffen“, antwortete sie. Ich ging zu einem Pfleger und fragte ihn, ob sie
operiert sei. Er ging mit mir zum Fußende des Bettes, nahm die Krankenakte aus
dem Fach, sah hinein und bestätigte, daß die Operation erfolgt war. Es war
lustig zu erleben, wie Helga langsam zu sich kam. Sie untersuchte ihren Arm und
stellte fest, daß sie einen neuen Gipsverband hatte. Es war ein herkömmlicher
Gips mit einem Spalt an der Unterseite des Armes, um eventuell eintretenden
Schwellungen Platz zu lassen. Es war eine ganz moderne Narkose, es gab keine
Nachwirkungen. Wir erhielten noch ein Rezept für zwei Schmerzmittel und die
Aufforderung, mit der Traumatologie einen Termin für die Nachkontrolle zu
vereinbaren.
Wir baten unseren Vermieter, das Telefonat für uns zu führen, und hörten mit.
Er mühte sich ab, schien aber immer unwillige Leute am Telefon zu haben, die
sich belästigt fühlten und ihn abwimmelten. Also fuhren wir selber hin. Hier
klappte es problemlos. Nach einer Woche erhielt Helga eine leichte, geschlossene
Kunststoffschale und die Aufforderung, am 10.3. wiederzukommen. Man bot uns noch
eine Flugfähigkeitsbescheinigung für die Airline an, aber wir lehnten ab. Wir
fühlten uns so gut betreut, daß wir keine Notwendigkeit sahen, nach Hause zu
fahren.
Fünf Wochen später, am 10.3., lief alles nach einem vorher festgelegten Plan
ab. Zuerst nahm ein Pfleger den Gips ab, dann gingen wir zum Röntgen, und erst
jetzt sahen wir die Ärztin. Die Röntgenaufnahmen hatte sie schon auf dem
Bildschirm. Hier läuft alles nur noch per Computer. Wir durften die Aufnahmen
ansehen. Der Bruch war gut verheilt, und die Nägel konnten gezogen werden. Zu
unserem Erstaunen nahm der Pfleger eine sterile Kombizange, versorgte die
Einstichstellen mit reichlich Desinfektionsmittel, drehte ein wenig an den Nägeln
und zog sie ganz leicht heraus. Helga spürte fast nichts. Die beiden langen Nägel
bekam sie als Souvenir mit. Die Löcher wurden steril abgedeckt, Helga durfte
drei Tage nicht duschen und mußte sich danach noch einmal in einem Centro de
Salud zum Entfernen des Verbandes vorstellen. Damit war die Behandlung
abgeschlossen. In der Klinik hatten wir noch um die Röntgenaufnahmen gebeten. Völlig
problemlos erhielten wir eine CD. Damit jeder Arzt damit etwas anfangen konnte,
hatten sie die Software gleich mit daraufgebrannt. Helga hatte noch die
Anweisung bekommen, den Arm nicht voll zu belasten.
Zu Hause ging sie mit der Röntgenaufnahme zu ihrem Orthopäden. Der war ganz
begeistert von dieser Methode. „Hier hätte man das Problem anders gelöst.
Aber das ist ja ganz großartig!“ Sie brauchte keine Therapie, nach kurzer
Zeit war der Arm voll beweglich und belastbar – rechtzeitig zum Beginn der
Gartenarbeit.
Gegenbeispiel hierzu aus Kiel: Eine Bekannte hatte einen ähnlichen Bruch. Hier
wurde alles im Rahmen einer aufwendigen Operation mit einer Platte verschraubt,
die nach einem halben Jahr durch
einen zweite aufwendige Operation entfernt werden mußte, weil sie einen Nerv
einklemmte und einige Finger taub wurden. Alles im Sinne der Ärzte.